Die Orgel der St. Johannes-Kapelle
Vermutlich die erste fest installierte Orgel in ihrer 700-jährigen Geschichte erhielt die Johannes-Kapelle im Jahre 2002/3 von der elsässischen Orgelbau-Werkstatt Mühleisen aus Straßburg. Seit der Wiederbenutzung der Kapelle nach dem 2. Weltkrieg hatten zunächst ein Harmonium und dann ein 1-manualiges Positiv mit 4 Registern jahrzehntelang notdürftig den Gemeindegesang begleitet. Die neue Orgel sollte über möglichst viele, weiche, tragende Klangfarben, 2 Manuale und Pedal verfügen. Die Orgel füllt ein ganzes Joch auf der linken Seite der Kapelle mit 2,90 m Breite aus.
Hinter Schnitzwerk, das Blumenranken der Kapitelle aufgreift, verbergen sich im unteren Teil des Gehäuses – im Rücken des Spielers – 9 Register und die Schwelltüren des II. Manuals.
Darüber steht das Hauptwerk mit 7 Registern. Im Prospekt steht der Prinzipal 8’, dessen tiefste Pfeife 2,40 m lang ist. Beide Werke zusammen sind stolze 6,30 m hoch, das entspricht fast 3-facher Zimmerhöhe! Dafür ist die Tiefe ungewöhnlich schmal: 90 cm.
Vor dem Gehäuse steht der Spieltisch, unter dem sich die Traktur befindet. Sie verbindet die Ventile unter den Pfeifen mit den Tasten und die Schleifen unter den Pfeifen mit den Registerzügen. Auf der Krone des mittleren Prospektturmes ist die Jahreszahl der Entstehung eingraviert: AD 2002.
Mehr lesenSomit verfügt das Hauptwerk sogar über eine 16´-Stimme, was dem Plenum zusätzliche Grundtönigkeit und Gravität verleiht, wie es sonst nur an größeren Orgeln selbstverständlich ist.
Damit der Raum nicht von dem Orgelgehäuse erdrückt wird, haben sich die Orgelbauer zahlreiche Individuallösungen einfallen lassen, um möglichst viel Platz zu sparen: das Instrument ist bei einer Gesamthöhe von 6,30 m ja nur 90 cm tief.
Die Trompete ist eines der Transmissions-Register. Für ihre unterschiedlichen Funktionen im Hauptwerk bzw. Pedal, wurde sie im Diskant und Bass mit unterschiedlichen Kehlen gebaut. Auf einen Stimmgang hinter der Orgel wurde aus Platzgründen verzichtet. Daher steht die Trompete ausnahmsweise vorne im Hauptwerk, direkt hinter den Prospektpfeifen. Zum Stimmen lassen sich die beiden Prospektfelder innen neben dem Mittelturm aufklappen. Die Pfeifen darin sind so befestigt, dass sie dabei nicht herausfallen können. Der Blasebalg wurde nicht waagerecht, sondern senkrecht hinter die Pfeifen des Hauptwerkes gesetzt. Das Windgebläse, wurde im Nachbargebäude untergebracht, der Windkanal im Mauerwerk hinter der Orgel versenkt.
Dank der meisterhaften handwerklichen Arbeit der Firma Mühleisen steht mit der Orgel ein Schmuckstück in der Kapelle, das auf kleinstem Raum eine Vielzahl unterschiedlicher Klangfarben ermöglicht. Die Ansprache der Pfeifen ist mit Rücksicht auf den kleinen Raum sehr fein und ohne hörbaren Ansatz. Die gute Akustik mit leichtem Hall veredelt den Klang zusätzlich.
Disposition
II. Positif (schwellbar) | I. Grand Orgue | Pedal |
1. Bourdon 8’ | 1. Bourdon 16’ | = Transmission |
2. Gambe 8’ | 2. Montre 8’ | = Transmission |
3. Voix Céleste 8’ | 3. Flûte 8’ | |
4. Flûte à cheminée 4’ | 4. Prestant 4’ | = Transmission |
5. Doublette 2’ | 5. Flûte 2’ | |
6. Nazard 2 2/3’ | 6. Fourniture IV rgs 1’ | |
7. Tierce 1 3/5’ | 7. Trompette 8’ | = Transmission |
8. Larigot 1 1/3’ | ||
9. Octave 1’ Tremblant | 3 Koppeln – als Zug und Tritt |
Überregionale Beachtung
Aufgrund des guten Rufes der Firma Mühleisen und der einmaligen Konstruktion findet die neue Orgel der Johannes-Kapelle in der Fachwelt auch überregional Beachtung. Prof. Wolfgang Seifen stellte sie im Rahmen einer Tagung des Verbandes der Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker des Bistums Münster (VKM) 2006 in einem Improvisationskonzert vor.
Bei der Internationalen Tagung der „Gesellschaft der Orgelfreunde“ (GdO) wurde sie 2010 in 3 kleinen Konzerten beim sog. „Orgelspaziergang“ mit Dom und Heilig Kreuz durch Klaus Vetter vorgestellt. Die Reaktionen der Teilnehmer waren durchweg positiv.
Prof. Tomasz Adam Nowak (St. Lamberti, Münster) greift für seinen jährlich stattfindenden Improvisationskurses gern auf die Orgel als Unterrichtsinstrument zurück. So unterrichteten u. a. Prof. Hans Haselböck (Wien), Prof. Peter Planyavsky (Wien, Stephansdom) und Philipp Lefebvre (Notre Dame, Paris) hier.
Bilder von der Entstehung der Orgel der Johanneskapelle ansehenBilder von der Entstehung
aus der Montagehalle der Orgelbaufirma Mühleisen in Straßburg.
Hier ist eine Windlade zu sehen. Auf den Löchern werden später die Pfeifen stehen. Darunter sind schmale, lange Leisten mit denselben Bohrungen, die sog. Schleifen. (Vorne ragen sie noch ungleichmäßig aus der Windlade heraus.) An ihnen werden die Registerzüge befestigt.
Das Ziehen der Register wirkt wie ein Ventil: werden die Schleifen so weit „geschleift“, dass die Löcher genau übereinander stehen, bekommt die von der Taste angeschlagene Pfeife ihren Wind und kann erklingen.
Noch sind Windladen und Pfeifen nicht eingebaut. So kann der Blick ungehindert durch Schwellwerk und Hauptwerk dringen.
Hier werden oben die beiden Klaviaturen eingebaut. Unten sieht man das Wellenbrett. Es überträgt die enge Mensur der Klaviatur in die Breite zu den Pfeifen, die weiter weg stehen.
Das selbsttragende Gehäuse aus Eiche wird zuerst aufgebaut.
Die Orgel der Apostelkirche
Die Orgel wurde 1968 von der Firma Paul Ott (Göttingen) erbaut und 1990 und 2008 durch die Firma Karl Schuke (Berlin) überarbeitet. Bei dem Umbau der Orgelempore 2000 wurde die holzverkleidete Betonbrüstung entfernt und durch ein elegantes Metallgitter ersetzt.
Licht und Klang können sich nun frei im Raum entfalten. Die Orgel kommt auch optisch besser zur Geltung – sie scheint im Raum zu schweben. Die Betonbrüstung behinderte die Klangabstrahlung der Orgel, besonders die des Brustwerkes. Optisch wirkte sie wie ein Fremdkörper.
Die Orgelempore wurde 1955 eingeweiht – auf die neue Orgel musste die Gemeinde noch bis 1968 warten. Da die Betonbrüstung den SängerInnen die Sicht zum Altar versperrte und die Klangentfaltung beeinträchtigte, stand auf der Empore ein mehrstufiges Holzpodest.
Die Disposition der Orgel
erbaut 1968 von Paul Ott, Göttingen
Hauptwerk | Oberwerk | Brustwerk | Pedal |
---|---|---|---|
Quintade 16´ | Holzpfeife 8´ | Holzgedackt 8´ | Prinzipal 16´ |
Prinzipal 8´ | Prinzipal 4´ | Blockflöte 4´ | Subbaß 16´ |
Rohrflöte 8´ | Rohrflöte 4´ | Prinzipal 2´ | Oktave 8´ |
Oktave 4´ | Waldflöte 2´ | Terz 1 3/5´ | Pommer 8´ |
Gedackt 4 ´ | Sesquialtera 2 f. | Quinte 1 1/3´ | Oktave 4´ |
Nasat 2 2/3´ | Oktave 1´ | Zimbel 2 f. | Nachthorn 2´ |
Oktave 2´ | Scharff 3-5 f. | Regal 8´ | Mixtur 5 f. |
Rauschquinte 2 f | Dulzian 16´ | Tremulant | Posaune 16´ |
Mixtur 5-6 f. | Tremulant | Trompete 8´ | |
Trompete 16´ | Schalmey 4´ | ||
Trompete 8´ |
Mechanische Spiel- und RegistertrakturKoppeln: B/O (1990) B/H, O/H, H/P, O/P Jalousieschweller am Brustwerk (1990) Zimbelstern (2008)
Daten aus der Geschichte der Orgeln in der Apostelkirche
2008
Überarbeitung durch Fa. Karl Schuke, Berlin. Reduzierung des Tastendrucks, Nachintonation der Zungen, neu: Zimbelstern
2007
Sturm Kyrill beschädigt das Dach über der Orgel
[ngg src=“galleries“ ids=“4″ display=“basic_thumbnail“ override_thumbnail_settings=“1″ images_per_page=“4″ number_of_columns=“4″ template=“default“]1999/2000
Abriss der Betonbrüstung an der Orgelempore. Dadurch konnte das Chorpodest vor der Orgel entfernt werden. Erst nach der Beseitigung dieser Klangbarrieren kommt auch der Klang des BW ungehindert unten im Kirchenschiff an.
1990
Überarbeitung durch Fa. Karl Schuke, Berlin
Die Zungen erhielten neue Blätter, die Kehlen der großen Oktaven der 16’wurden beledert, die Becher verlängert.Eine neue Koppel B/O wurde eingebaut, mit der das III. an das II. Manual gekoppelt werden kann; Austausch der einfachen, 2-flügeligen Tür vor dem BW gegen eine mit Lamellen.
1968
Orgelneubau durch Paul Ott, Göttingen. Beratung: Prof. Dr. Rudolf Reuter
1953/56
Wiederaufbau der zerstörten Westjoche und Einbau der Orgelempore (mit holzverkleideter Betonbrüstung)
1949
Aufstellung einer Notorgel im nördlichen Seitenschiff (Fa. Steinmann, Vlotho, 19 Reg.)
1945
bis 1937
Umbauten und Erweiterungen im Sinne der Orgelbewegung durch Seubel mit den Firmen Fleiter (Münster) und Giesecke (Göttingen). Abriß des neugotischen Gehäuses zugunsten freistehender Prospektpfeifen (52 Reg.)
Die Orgel nach dem Umbau 1937 mit freistehenden Prospektpfeifen. Zuvor war die Kirche 1936 renoviert worden. Die dabei wiederentdeckten mittelalterlichen Gewölbemalereien sind auf dieser Aufnahme wieder zu sehen. Durch Feuchtigkeit als Folge der Zerstörung im Kriege sind sie heute viel blasser als damals.
1922/23
Erweiternder Umbau (49 Reg.) durch Fa. Fleiter, Münster, veranlaßt durch den Organisten Karl Seubel
Der Ladegast – Prospekt vor dem Umbau der Orgel 1932
1875/79
Neubau durch Friedrich Ladegast aus Weißenfels
(Westempore, neugotisches Gehäuse, 42 Reg., Disposition nur zu erschließen.)
1820/21
Neubau (35 Reg.) durch J. A. Hillebrandt aus Leeuwarden auf den neu errichteten Emporen im Westen
1784/85
Neubau durch Melchior Vorenweg aus Münster am selben Platz (27 Reg.,1821 an die Lamberti-Kirche)
nach 1659
Umsetzung der Orgel von 1626 in das neu errichtete östliche Joch des nördlichen Seitenschiffs, dort 1771 bezeugt
1655
Verkauf der älteren Orgel nach Greven anläßlich der Erweiterung der Kirche
1626
Neubau einer Orgel auf dem Lettner, vermutlich durch Arnold Bader. Vor 1655 Erwähnung eines Regals auf dem Lettner
1605
Renovierung einer Orgel an der Nordwand
1532
Erste Erwähnung einer Orgel in der damaligen Minoritenkirche
Die oben zusammengefassten Daten entstammen einer Festschrift, die 1996 zum 50-jährigen Bestehen der Kantorei an der Apostelkirche herausgegeben wurde. Sie liegt in der Schauvitrine im Café des MGH aus und ist dort oder beim Kantor zu erhalten. Über eine Spende würden wir uns freuen.
Inhaltsverzeichnis der Festschrift