Weihnachtsoratorium in der Apostelkirche zum letzten Mal unter Kantor Klaus Vetter

Lyrische Betrachtung und mächtiger Jubel

Münster – Zum Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach füllte sich am Samstagnachmittag erneut die Apostelkirche. Zum elften und letzten Mal stand Kantor Klaus Vetter am Dirigentenpult. Die Kantorei an der Apostelkirche wurde durch das Barockorchester „Le Chardon“ begleitet. Vier Solisten komplettierten das konzertante Aufgebot. Tenor Nils Giebelhausen erzählte als Evangelist das heilige Geschehen. Johanna Rademacher (Alt), Fanie Anto­nelou (Sopran) und Dominik Wörner (Bass) fügten sich überzeugend in ihre Rollen im weihnachtlichen Geschehen.

Quelle: Westfälische Nachrichten, von Andreas Hasenkamp Sonntag, 16.12.2018

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Vorwort zum Programmheft:    

Liebe Konzertbesucher,
gleich nach der Aufführung des Elias stürzte sich die Kantorei wieder so begeistert in die Proben zum Weihnachtsoratorium wie immer. Obwohl alle SängerInnen das Werk in und – meist sogar – auswendig  kennen ist keine Routine, oder gar Langeweile zu spüren, sondern Lebendigkeit und pure Freude am Wieder-Eintauchen in diese Musik. Dasselbe gilt für das Orchester, die Solisten und das Publikum, auf welche das Werk seit Jahrzehnten eine fast magische Anziehungskraft ausübt.

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Begonnen hatte diese bereits 1954, als die erst 1946 von Wolfgang Klare gegründete Kantorei jährlich,  als einziger Chor Münsters, das Weihnachts-Oratorium aufführte. Eine enorme Leistung in der Nachkriegszeit, die auch weitere 25 Jahre konkurrenzlos blieb.

Als dann Wolfgang Mielke 1979 die Kantorei übernahm, waren inzwischen zahlreiche andere Chöre entstanden. Seitdem finden die Aufführungen alle 3 Jahre, im Wechsel mit dem Heinrich-Schütz-Chor und der Studentenkantorei, statt.

Diese Tradition habe ich dann bei meinem Amtsantritt 1987 übernommen und im Laufe der Jahre um drei ganz unterschiedliche Versionen erweitert, die in Münster bislang einmalig sind.

Zunächst kam der Kantatengottesdienst hinzu, in dem wir jedes Jahr fortlaufend eine der Kantaten musizieren. Ein so aufgeteilter Zyklus dauert also 6 Jahre. Ganz am Anfang haben wir die Kantaten sogar einmal – wie von Bach vorgesehen – an den  jeweiligen Feiertagen im Gottesdienst aufgeführt, also vom 1. Weihnachtstag über Neujahr bis Epiphanias. Inzwischen haben wir allerdings den 2. Feiertag als festen – und damit für alle im Voraus planbaren – Termin eingeführt und befinden uns nun im 5. Zyklus! Das ist nur mit den begeisterten Mitwirkenden durchzuführen, die bereit sind, diese Termine mit der Familie entsprechend abzustimmen. An dieser Stelle ganz herzlichen Dank dafür!
Im Jahre 2000 wagten wir dann erstmalig die Doppel-Version, die wir bis heute fortführen: Samstag die Kantaten 1-6, und Sonntag die Kantaten 1-3 „zum Mitsingen und Zuhören“.  Viele waren damals besorgt, dass das Mitsingen des Publikums ohne vorherige Probe die Qualität der Aufführung erheblich beeinträchtigen könnte. Doch das Gegenteil war der Fall. Diese Form des interaktiven Musizierens ist wirklich ansteckend und begeistert jedes Mal sowohl den Teil des Publikums, der nur zuhört als auch die Mitwirkenden selbst.

Ursprünglich war die Musik des Weihnachtsoratoriums zu weltlichen Anlässen komponiert, zu  Geburtstagen der sächsischen Kurfürstin und des sächsischen Kurprinzen. Diese kennt heute niemand mehr und die Musik zu diesen fürstlichen Anlässen wäre längst vergessen, wenn Bach ihr nicht nachträglich einen geistlichen Text unterlegt hätte. Um das deutlich zu machen,  haben wir 2006 und 2009  zu den beiden eben erwähnten Versionen des W.O. eine dritte  mit den zugrunde liegenden  weltlichen Kantaten angeboten, bei denen die beiden allegorischen Hauptfiguren „Tugend“ und Wollust“ sogar in Kostümen auftraten. Die WN titelte anschließend ihren Bericht: „Weihnachtsoratorium: Als noch die Wollust lockte.“  

Zum 11. und damit zum letzten Mal dirigiere ich heute das „W.O.“  
Welche dieser Traditionen künftig weitergeführt werden weiß ich natürlich nicht, aber ich bin mir sicher, dass es auch nach meinem Ausscheiden aus dem Amt  weiterhin mit derselben Hingabe und Begeisterung aufgeführt werden wird, sobald die ersten Paukenschläge mit der Aufforderung erklingen:
„Jauchzet, frohlocket!“

Dankes-Mail

Lieber Klaus!
Dein letztes Weihnachtsoratorium! Ich glaube, dass es dafür in Münster keinen besseren Rahmen gibt als unsere Apostelkirche! Es war wieder ein wunderbares Bild, die schlichten hellen Bögen sehr schön ausgeleuchtet, nur ein großer Adventskranz mit 2 dicken roten Kerzen, darunter das nicht so grosse Orchester, dahinter hochauf der schlicht dunkel gekleidete Chor.

Die Kirche voll besetzt mit sehr gutem Publikum, man spürt die Universitätsstadt, viele Männer(!), viel Mittelalter und Jüngere. Es war das reinste “Musizieren”, unaufgeregt, leicht und wiegend. Die Solisten immer wieder an verschiedenen Plätzen plaziert, das machte die Geschichte lebendig.
Der Chor wunderschön klar und sicher und ohne den kleinsten Wackler und Tonabfall!  Der Sopran jugendlich hell und gut verständlich. Das Durcheinanderstehen kam vor allem den Männern zu Gute, so fest hab ich die Männerstimmen noch nie erlebt. Überhaupt ist die Verjüngung der Kantorei nicht nur ein sichtbarer, sondern vor allem hörbarer Qualitätsgewinn!

Ich sass ja in der Mitte und konnte das Ganze sehr gut überblicken. Wirklichst zutiefst bedauert habe ich, dass das Konzert nicht gefilmt wurde. Wie da der Chor auf jede Nuance Deiner Bewegungen reagiert hat, wie Du mit vollem körperlichen Einsatz ohne Taktstock, mit Armen und Beinen und Händen und Füssen und Kopf, in Wiegend und Habachtstellung alles vorbereitet hast und der Chor voll reagierte, bilderbuchreif!!

Ich hab nochmals den Text mit- und nachgelesen, den ich jahrelang ohne viel Nachzudenken nur so mitgesungen habe, das Wichtigste war die Musik.  Es ist ein unklares Deutsch! Da gehört ja fast eine sinnvolle Übersetzung nebenangestellt.  M.W.